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Veraltet
Diese Seite ist der Stand vom 19.03.2019. Inzwischen hat das EU-Parlament der Urheberrechtsreform abschließend zugestimmt, leider wird das wohl so auch vom Ministerrat abgenickt werden. Darum wanderte diese Seite ins Archiv.

Aktuelle Entwicklungen können die Meinungsfreiheit im Internet behindern und tragen dazu bei, es zu einem Medium für große Anbieter und reine Konsumenten zu degradieren. Für Dinge dazwischen bleibt kaum mehr Platz im Internet.

Wer lieber Videos schaut: Artikel 13 und Uploadfilter in langsam zeigt zwar nicht alles, das Problem der Meinungsfreiheit z.B. wird nicht angesprochen, ist aber dennoch eine gute Einführung.

1. Urheberrechtsreform und härteres

Es geht in der öffentlichen Diskussion im wesentlichen um die Urheberrechtsreform, aber es gibt eine weitere Bestrebung (Übersicht, Originaltext) die teilweise in die gleiche Richtung zielt und sogar gefährlicher ist als Artikel 13 (heise181218, netzpolitik190307, EDRi181211), z.B. weil sie jede Plattform unabhängig vom Alter trifft, sehr kurze Fristen fordert und nicht klar definiert ist, was "terroristische Inhalte" eigentlich sind.

1.1. Was ist schlecht daran?

Filtersoftware ist in der Urheberrechtsreform zwar nicht explizit vorgeschrieben, ist aber praktisch unumgänglich.

Der EuGH hat solche Filter bereits 2012 für unzulässig erklärt.

Beispiele dafür, dass Filter (Urheberrecht, hate speech, Terrorinhalte) nicht hinreichend gut funktionieren (können):

  • eine bunte Auswahl: https://juliareda.eu/2017/10/fatale-filter-fehlentscheidungen/

  • Ein Facebook-Filter hat die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung als Hassrede klassifiziert.

  • Ein Kampagnenvideo wurde im Fernsehen ausgestrahlt bevor es von der Kampagne auf Youtube hochgeladen wurde; der Fernsehsender meldet alles ausgestrahlte bei Youtubes "Content ID" an, woraufhin die Urheber es dort selbst nicht mehr veröffentlichen konnten (1, 2).

  • Wie ein Filter für politische Werbung bei Facebook schlecht funktioniert hat.

  • Auch ein Porno-Filter funktionierte nicht, wie man sich das vorstellt.

Angeblich soll das Gesetz vor allem "Dienste wie Google" (inkl. Youtube) und Facebook (inkl. Instagram) treffen. Fakt ist jedoch, dass alle anderen, auf denen Benutzer Inhalte (welcher Art auch immer) hochladen können, ebenso in die Pflicht genommen werden können — es kann also auch Diskussionsforen und die Kommentarfunktion auf Webseiten treffen.

Google hat bereits einen Filter ("Content ID"), Facebook ebenfalls ("Audible Magic"), beide Konzerne haben wohl mit diesen Filtern bei der EU geworben um strengere Regeln zu vermeiden (1, 2, 3). Kleinere Anbieter haben weder Geld noch Ressourcen, um solche Filter zu entwickeln, können sie also nur einkaufen, was Google/Facebook weiter stärken würde.

Ein solches System kann auch benutzt werden um (un-)absichtlich die Meinungsfreiheit einzuschränken:

Eine Untersuchung über die gigantischen Mengen an (elektrischer) Energie und Ressourcen, die für diese Filter gebraucht würden, habe ich leider noch nicht gesehen. Man muss sich vorstellen, das jedes Stückchen Text (alles was ihr online sichtbar schreibt) mit einer Datenbank (und davon würde es mehrere geben) von urheberrechtlich geschütztem Material verglichen werden muss, mit Büchern, Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln in allen Sprachen, Webseiten und sonstigen Veröffentlichungen für welche jemand (un-)berechtigter Weise ein Urheberrecht beansprucht. Ebenso jedes Bild, jedes Video, jede Musik- und Tonaufnahme.

1.2. Aber es trifft doch nur die großen, bösen etc!?!?

Man muss bei der Bewertung verschiedener Aussagen zu diesem Thema vorsichtig sein. Auch neutrale Berichte stellen Dinge mal falsch dar; z.B. wird oft geschrieben, dass von der "Filterpflicht" nur "die großen" Plattformen ("wie Youtube und Facebook") betroffen sind, dass es nur diejenigen betrifft, die älter als drei Jahre sind UND mehr als 5 Mio verschiedene monatliche Nutzer haben UND mindestens als 10 Mio EUR Jahresumsatz machen.

Fakt ist aber, dass obiger Satz mit ODER anstelle UND die Wahrheit besser trifft und selbst dann noch nicht exakt ist. Nach spätestens drei Jahren Existenz ist jedenfalls jede Plattformen unabhängig von Besucherzahlen und Umsatz verpflichtet (Artikel 13, Absatz 4aa, außerdem Kommentar 38ba).

Das wesentliche Dokument gibt es übrigens hier, hier oder hier und bestimmt an vielen anderen Stellen.

1.3. Aber die Reform ist doch wichtig für die Urheber!?!?

Die Befürworter der Reform stellen es auch gerne so dar, als würden deren Kritiker gegen faire Vergütung von Urhebern sein (was in verschiedener Hinsicht falsch ist) und "die Urheber" würden die Reform unterstützen.

Auch Urheber sind dagegen, z.B. https://www.freischreiber.de/ und http://www.vginfo.org/, weil vor allem die Position der Rechteverwerter gestärkt würde.

1.4. Artikel 11 der Urheberrechtsreform

Hier nur ganz kurz: Verleger wollen Google und andere zwingen, für Links und Anreissertexte zu bezahlen. So etwas gibt es bereits in Deutschland und Spanien, in beiden Ländern ging der Schuss jedoch nach hinten los: die spanischen Medien mussten deutlichen Besucherschwund und damit Einnahme- und Reichweitenverluste hinnehmen weil Google sie nicht mehr listet; deutsche Medien haben Google erlaubt, die Dinge wieder kostenlos "nutzen" zu dürfen. Es bleibt eine gesetzliche Regelung, die in der Praxis nur Nachteile hat.

2. Etwas tun!

Vielleicht haben gewisse "Volksvertreter" mal das eine, mal das andere gesagt und wollen doch hinterhältigerweise die Abstimmung vorverlegen (1, 2)?

Als Einstieg in das Thema eignet sich derzeit (Anfang März 2019) diese Seite von Julia Reda, von dort aus gibt es auch viele Links zu Hintergründen, aber die verschiedenen Aspekte sind über mehrere Seiten verteilt.

http://www.vginfo.org/chronik.html Urheber, viel zur "Verlegerbeteiligung", Artikel 12. Stellt dar, wie es immer wieder darum geht (von Seiten Verleger und Urheberrechtsreform), dass Verleger mehr und Urheber weniger Geld bekommen sollen. Die "VG Wort" wird eher als Verleger-freundlich und Urheber-feindlich dargestellt, hat wohl vieles unternommen um Geld den Verlegern zukommen zu lassen.

Bundesjustizministerin Barley ist zwar irgendwie dagegen, hat aber gegen ihre angebliche Überzeugung und gegen den Koalitionsvertrag für die Reform gestimmt; sie ist der Meinung, dass es auf Uploadfilter hinausläuft.

Zur Abwechslung ein unaufgeregtes Interview mit Reda und Voss.


Latest modification: 30.03.2019 16:12
Jens W. Wulf

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